Samstag, 8. Juli 2017

Die Glückshormone schlagen Purzelbäume

                        

Es war schon spät. „Ich möchte die Nacht nicht auf dem Salzsee verbringen, lass uns an Land fahren. Dort drüben ist ein kleines Dorf.“ Ada machte sich nicht nur um sich selbst Sorgen, sondern auch um ihre 6 jährige Tochter Senta. Wolfgang, Ada´s Mann, folgte mit dem Allradsprinter einer Spur im Salz, die genau in die Richtung des kleinen Dorfes führte. Das besondere Licht und die topfebene weiße Fläche täuscht einen bei der Einschätzung der Entfernung. Der Salar de Uyuni hat immerhin ein Fläche von 10.582 km² und ist 160km lang und 135km breit. Wolfgang wußte um die Gefahren des Salzsees. Insbesondre die Gefahr in eines der „Augen“ des Salzsees zu fahren oder in Ufernähe zu versumpfen. Obwohl das Salz feucht und ein wenig silbrig wurde und es schon zu dämmern begann, war Wolfgang nicht beunruhigt. Er folgte immer noch den gut sichtbaren Autospuren und die Lichter, die in den Fenstern der Häuser gelb leuchteten, wirkten einladend und vermittelten das Gefühl bald in Sicherheit zu sein. Das Ufer schien in greifbarer Nähe. Wolfgang ignorierte die Gefahr im sumpfigen Salz stecken zu bleiben und trat das Gaspedal durch und folgte den Autospuren, die durch eine größere Wasserpfütze führten. Nach 20-30m versanken die Räder im zähen Salzsumpf und der Sprinter bewegte sich keinen Meter weiter. Nachdem der erste Schock überwunden war und die Salzkruste offensichtlich noch so fest war, dass sie ihr dreieinhalb Tonnen schweres Wohnmobil trug, entschlossen sie sich für die Nacht an Ort und Stelle zu bleiben und am nächsten Tag Hilfe zu holen. Wasser und Lebensmittel hatten sie Gott sei Dank genügend an Bord. Am nächsten Morgen machte sich Ada auf den Weg um Hilfe zu organisieren. Wolfgang blieb bei der Tochter. Er war gesundheitlich schwer angeschlagen. Er litt unter einer bösen Darmgeschichte die er sich beim letzten Abendessen in der Garnisonsstadt Uyuni zugezogen hat. Zudem konnte Ada als Kubanerin besser spanisch. Nach über einer Stunde, die sie durch den Salzsumpf stapfte, der sich anfühlte wie flüssiger, zäher Kleber, erreichte sie die kleine Siedlung am Ufer des Salar de Uyuni. Die Leute in der kleinen Siedlung waren aber sehr verschlossen und wollten am liebsten nicht mit ihr reden und schon garnicht waren sie bereit, ihr in irgendeiner weise zu helfen. Ihr war das Verhalten der Einheimischen unerklärlich und so machte sie sich unverrichteter Dinge wieder auf den beschwerlichen Rückweg. Ratlos entschlossen sie sich, es morgen noch einmal zu versuchen. Was allerdings bedeutete, eine weitere Nacht in ihrem Wohnmobil auf der weichen Salzkruste zu verbringen. Sie redeten sich gegenseitig Mut zu, sie wird schon halten. Am nächsten Tag marschierte Ada wieder los, um dann einige Stunden später wieder unverrichteter Dinge zurück zu kehren. Wieder ein Tag ohne Ergebnis und eine ungewisse Nacht. Am dritten Morgen marschiert Ada wieder los, nur um Stunden später physisch und psychisch total am Ende, wieder ohne irgendein Ergebnis zurück zu kehren. Obwohl Wolfgang immer noch schwer mit seiner Darmgeschichte zu kämpfen hatte machte er sich jetzt auf den Weg, weil sie dachten, dass vielleicht die Einheimischen nicht mit einer Frau reden wollten. Um die Peinlichkeit, die das Darmproblem verursachte zu verbergen, als er es zu der kleinen Siedlung geschafft hatte, mußte er sich seine Jacke um die Hüften binden. Als er sich den Häusern näherte wurden die Türen und Fensterläden verschlossen und auch sein klopfen bewegte keinen der Bewohner die Türe zu öffnen. Völlig frustriert und vom Darm gepeinigt schleppte er sich zu ihrem Wohnmobil zurück. Als Ada ihn kommen sah, konnte sie sich nicht mehr zusammen reissen, was sie bisher immer getan hatte um ihrer 6 jährigen Tochter nicht zu zeigen in welcher misslichen, ja gefährlichen Lage sie sich befanden. Sie wurde von Weinkrämpfen geschüttelt. Trotzdem hat sie sich ihre schweren, völlig durchweichten Bergstiefel angezogen und ist wieder los marschiert. In ihrem Gesicht war die Entschlossenheit einer Mutter, deren Kind in Gefahr ist, gezeichnet. Sie würde sich nicht noch einmal abwimmeln lassen, ohne dass sie erfährt, weshalb die Menschen in dem kleinen Dorf so abweisend sind und ihnen nicht helfen wollen. Nach langem insistieren rückt eine ältere Frau mit ihrer Begründung raus. In dieser Gegend sind viele Rauschgiftschmuggler unterwegs, die auch die Route über den Salar nehmen. Und die Dorfbewohner haben Angst, dass auch sie solche Rauschgiftschmuggler sind. Sie haben Angst in dieses gefährliche Geschäft hinein gezogen zu werden, wenn sie ihnen helfen. Davon, dass sie nur harmlose deutsche Touristen sind konnte sie Ada, trotz ihrer Schwüre auf die Muttergottes Maria, nicht überzeugen. Obwohl sie auch an diesem Tag, kurz bevor es dunkel wurde, völlig geschafft und unverrichteter Dinge zu Ihrer Familie zurückkehrte, war sie nicht verzweifelt. Sie wußte jetzt was zu tun war, den auf dem Rückweg hatte sie sich einen Plan ausgedacht, wie sie die Dorfbewohner dazu bringen konnte ihnen zu helfen. Das bedeutete zwar noch eine weitere Nacht auf dem unsicheren Salz aber die Zuversicht kam zurück und sie waren sich sicher, dass sie das Salz noch eine Nacht tragen würde. Am nächsten Morgen hat sich die gesamte Familie auf den Weg zu der kleinen Siedlung gemacht. Und genau wie sich Ada das gedacht hatte, konnte Senta ihre kleine Tochter die Leute überzeugen, dass sie harmlose Touristen waren. Die Leute schickten sie zu ihrem Fahrzeug zurück und versprachen ihnen zur Hilfe zu kommen. Am Nachmittag konnten sie sehen wie von der Siedlung ein Traktor mit mehreren Männern zu ihnen herausfuhr. Doch die Freude währte nur kurz. Während sie dem Traktor betrachteten wie er mit der Hilfsmannschaft näher kamen, mußten sie zusehen wie der Traktor, kaum 100m von ihnen entfern, auch im zähen halbflüssigen Salz stecken blieb.Die Familie konnte es nicht fassen. das durfte einfach nicht war sein. Was hatte sie getan, dass das Schicksal so mit ihnen hadert. Die Männer aus dem Dorf, deren Misstrauen gewichen war, hatten Mitleid und versprachen Hilfe auch wenn das Rettungsmanöver mit dem Traktor misslungen war. Am nächsten Tag, inzwischen steckten sie unglaubliche sieben Tage im Salz fest, kam Hilfe mit großem Bergungsgerät. Eine nahe gelegene Forschungsstation hatte Schichtwechsel und die abgelöste Mannschaft kam mit ihrer Bergungsausrüstung vorbei und befreite sie aus dem Salzsumpf.An diese Geschichte, die uns Ada und Wolfgang erzählten als wir uns in Kolumbien, kurz nachdem wir in Südamerika eingereist waren,  mußte ich denken als wir von der Lagunenroute kommend, auf einem Damm raus zum Salzsee fuhren. An der ersten Abfahrt die ins weiße Nichts führte, fuhr ich vorbei. An der zweiten auch. Erst an der dritten Ausfahrt sagte ich mir jetzt oder nie und lenkte den Hiace entschlossen nach links. Das Salz hält und wir sind drauf. Martin und Miriam folgen uns mit ihrem T3 und auch Gitta läßt sich nicht abhängen und folgt uns. Was jetzt folgt ist unbeschreiblich. Die Glückshormone schlagen beim Anblick der weißen Fläche Purzelbäume und da die Fläche unendlich erscheint, hören die Purzelbäume gar nicht mehr auf. Es ist unbeschreiblich wie es ist auf einer unendlich großen, weißen, glatten Flächen mit dem Auto zu fahren. Wir sind Schlangenlinien gefahren, haben Pierretten gedreht, beschleunigt und gebremst. Wir haben mit unseren Autos auf der weißen Fläche getanzt. Am liebsten würde man das Lenkrad los lassen, nach hinten gehen und Kaffee kochen. Das mit dem Kaffee kochen habe ich natürlich gelassen, nicht nur, weil Edda einen Herzinfarkt bekommen hätte. Aber dass mit dem Lenkrad los lassen konnte ich nicht lassen und unweigerlich fängt man an über selbstfahrende Autos nach zu denken. Jetzt nachdem ich ja schon Profi-Beifahrer bin, kann ich es kaum erwarten bis die Kisten endlich alleine fahren. 

Also, wenn ihr mal in Bolivien seid, laßt euch das Vergnügen über den Salar zu fahren auf keinen Fall entgehen und wer mehr über den Salar de Uyuni wissen möchte, dem empfehle ich den Artikel von Wikipedia.


Die Auffahrt zum Salar.

Nicht überall ist die Salzkruste besonders dick

Irgendwann muß man sich entscheiden den Damm zu verlassen und sich hinaus auf das Salz zu wagen

Freie Fahrt.


Selbst fahrendes Auto













Eine Insel mitten auf dem Salar








Die Sonnenauf- und Sonnenuntergänge sind ein besonderes Erlebnis.






















Ein Hotel, komplett aus Salz gebaut.




Vor einigen Jahren ist hier die Dakar gestartet



Nach dem Salar empfiehlt sich eine intensive Wäsche um das Salz zu entfernen