Sonntag, 10. Juli 2016

Ecuador, ohne besonderen Vorkommnisse


Wenn man lange reist, wird auch das Fremde, was man sieht, hört und riecht, normal. Und wenn man keine Lust hat, darüber zu schreiben was in jedem Reiseführer steht, wird es schwierig den Blog zu füllen. Und ich gebe auch zu, je länger die Reise dauert, desto schreibfauler werde ich. Es wird immer schwieriger mir vorzustellen, was euch zu Hause interessieren könnte. Ist es interessant zu wissen, wie es sich anfühlt wenn man an einem Tag vom Amazonas über die Anden auf Pässen über 4500m Höhe an die Küste fährt. Also, unten schwitzt man, oben friert man und wenn man sich ein wenig anstrengt wird man schnell kurzatmig und beim runter fahren fallen einem immer die Ohren zu. Wir sind inzwischen schon so viel durch die Anden gefahren, immer in Höhen zwischen 2500m und 4500m, dass ich an meinem Ohrendruck die Höhe bestimmen kann. Edda kontrolliert  meine Angaben immer mit dem Höhenmesser und sie ist immer wieder überrascht wie präzise ich die Höhe bestimmen kann. Naja, die Vegetation und die Temperatur unterstützen meine Ohrensensoren bei der Arbeit. 

Ecuador, das bedeutet Armut und Luxus, Moderne und Tradition, Vernunft und Wahnsinn, billig und teuer, hoch und nieder, Hitze und Kälte, lachen und weinen, Extreme eben. Alles ist in diesem kleinen Land sehr nahe beieinander und trotzdem ist Ecuador eines der am einfachsten zu bereisenden Länder in Südamerika.

Es ist völlig normal wenn ein Indio Mädchen mit engen, an unanständigen Stellen zerrissenen Jeans, High Hills, und knapper, freizügig geöffneter Bluse, Händchen haltend mit ihrer Freundin in Tracht mit „Tiroler Hut“, Poncho, Faltenrock, weissen Kniestrümpfen und antiquierten High Hills, auf einer der Prachtstrassen in Guayaquil schlendert und dabei an einem Magnum lutschen oder über einen Indio Markt in einem kleinen Andendorf über den staubigen Markt stolziert und dabei ein gehobeltes und mit grell farbigen Sirup übergossenes Wassereis verspeisen. Vielleicht stammt das Eis auch noch von den Gletschern des Chimborazo, dass heute noch mit Eseln von dem Vulkan geholt wird. 

Die rundbackigen Schönheiten blühen vielfach nur bis Mitte zwanzig und gleichen dann spät pubertierenden Damen, die sich als Ballköniginnen maskieren und schnell verblühen. Was bleibt, sind von oben bis unten sympathische Rundungen die gegen die Schwerkraft kämpfen. Dagegen wirken europäische Frauen wir Grazien. 

In Vilcabamba, im Tal der Hundertjährigen waren wir auf der Suche nach den Hundertjährigen. Gefunden haben wir aber nur Amerikaner die 100 Jahre alt werden wollen. Aber die Gegend ist wunderschön, das Klima traumhaft und auch ohne, dass wir dem Geheimnis der Hundertjährigen auf die Spur gekommen sind verbrachten wir auf der Hazienda der Brüder Peter und Dieter einige wunderschöne Tage. Nicht nur wegen der klasse Kässpätzle die sie in ihrem Restaurant servieren.

Mit panisch verzerrtem Gesicht flieht ein Mann mit einem Tragl Eiern vor einigen Stieren, die wild schnaubend hinter ihm her sind. Im letzten Moment schafft er es unter dem Gejohle der Massen hinter eine Absperrung. Wir sind in Alausi mitten in ein Festival geraten, dass dem Spektakel in Pamplona gleicht. Stiere werden durch die Strassen in die Arena getrieben, wer mutig genug ist, läuft vor ihnen her und ärgert sie mit einem roten Tuch. In der riesigen Arena dürfen dann die Amateurtoreros mit den Tieren spielen. Gefährlich ist das Schauspiel nur für die Toreros, die immer wieder von den Stieren durch die Luft gewirbelt werden oder unter ihre Hufe geraten.

Völlig undurchsichtig ist die Preisgestaltung in Ecuador. Mal bekommt man in einem netten Restaurant eine Flasche Malbec für 15 Dollar, für die du im Supermarkt 20 Dollar bezahlst. Ein und dieselbe Jeans bekommst du in der einen Tienda für 10 Dollar und in einem Laden weiter ist sie für 120 Dollar ausgeschrieben. Für ein Mittagessen bezahlt man in einer normalen Kneipe mal 2 Dollar oder auch 10 Dollar und beide sind schlecht. Aber dann bekommt man in einer Studentenkneipe oder auf einer Raststätte mal wieder für 3 Dollar ein tolles Mittagessen und in einem super Restaurant für 10 Dollar ein exzellentes Abendessen. Das hört sich jetzt vielleicht so an, als ob man als Tourist abgezockt wird. Nein, ganz und gar nicht, dass ist so. Preise sind willkürlich. Mal von den Spritpreisen abgesehen. Für 15 Dollar machen wir den Tank voll. 

Das Strassennetz ist sehr gut und vernünftig ausgebaut, aber dann gibt es wieder Autobahnabschnitte die 10-12-spurig sind und für europäische Verhältnisse praktisch unbefahren, mit großen beschilderten Abfahrten die dann in eine Sandpiste münden. 

Es gibt super moderne Städte und dann kommt man wieder durch Orte die einen an die frühe Kolonialzeit der Spanier erinnern. Aber im großen und ganzen ist Ecuador touristisch sehr gut erschlossen und sicher. Trotzdem gibt es dieses Jahr nicht sehr viele Touristen aus Übersee. Dies liegt vermutlich am Erdbeben an der Küste, den Vulkanausbrüchen und am El Niño. Von all dem spürt man allerdings nichts, wenn man nicht direkt in die betroffenen Regionen reist. Wir sind jetzt schon seit 2 Monaten in Ecuador unterwegs und wenn wir nicht gelegentlich Nachrichten hören würden oder von besorgten Freunden zu Hause die Infos bekommen, wüssten wir nichts über Erdbeben, El Niño oder Vulkanausbrüche. Natürlich kommen wir gelegentlich mal nicht weiter, weil ein Erdrutsch eine Strasse verschüttet hat. Aber dies ist im Oriente so normal wie bei uns starke Schneefälle. Dann kommen Bulldozer und machen die Strasse wieder frei. 

Im Zentralen Hochland hatten wir das Glück die beiden höchsten Vulkane, den Cotopaxi und den Chimborazo ohne Wolkenverschleierung aus nächster Nähe zu sehen, was zu dieser Jahreszeit sehr selten ist.

Vielleicht interessiert ihr Euch auch wie der Alltag eines Overlanders aussieht. Wir fahren hin wo wir wollen und wo es uns gefällt bleiben wir. Die meiste Zeit wissen wir Morgens noch nicht wo wir Abends landen und die Nacht verbringen. Wir planen wenig und leben einfach im Jetzt. Mit unserem Auto sind wir gänzlich autark, auch wenn uns der Hiace langsam zu klein wird. Wir sind halt keine 20 mehr und das Wetter ist hier in den Anden nicht nur schön. So schön das Leben in der freien Natur ist, mitunter kann es auch recht anstrengend sein. Wir wandern über Berge und durch Schluchten, schwimmen in Flüssen, besteigen ab und an einen Vulkan, schlendern durch Indio Märkte, sehen uns Städte und Inka Ruinen an, gehen dann und wann in ein Museum oder in einen Biergarten, kochen, backen Brot, lesen oder sind zeitweilig auch nur faul. 
Gelegentlich treffen wir andere Overlander und das dürfte besonders Lindauer interessieren. Vor einigen Wochen, wir waren auf der Finca Sommerwind, wo man immer einige Overlander trifft und versuchten gerade über ein langsames Internet dem Fußballspiel gegen die Ukraine zu folgen, da rollt ein blauer Unimog mit Lindauer Kennzeichen auf den Platz. Klar, dass in dem Moment das Fussballspiel zur Nebensache wird. Unglaublich, aber es kommt noch besser. Nach einer freudigen Begrüßung hat Edda und Horst festgestellt, dass sie zusammen in die Schule gegangen sind. Die Geschichten die es zu erzählen gab waren natürlich interessanter als das Spiel.


Ecuador ist für uns beinahe Geschichte, wir sind länger geblieben als wir eigentlich vor hatten, aber morgen geht es weiter nach Peru.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen