Sonntag, 10. April 2016

Marqués de Puntalarga, Das höchste Weingut der Welt

Freundschaft auf den ersten Blick. Dr. Marcos Quijano und Edda
„Aus Lindau seid Ihr! Lindau - da war ich mal als junger Kerl bei der Nobelpreisträger Tagung, als ich beim Max-Planck-Institut meinen Doctor gemacht habe - die haben mich da eingeladen und ich bin natürlich hin gegangen. Eine schöne Stadt - Lindau - habe ich noch in sehr guter Erinnerung“
„Bist du Deutscher oder Schweizer“ 
frage ich ihn, weil er mit einem leichten Schweizer Akzent spricht. Er lacht und sagt 
„Nein, ich bin ein Kerl von hier“
Der Kerl ist Dr. Marcos Quijano, Dr. der Chemie und deutlich über 80.
„Aber deine Wurzeln, dein Vater, oder vielleicht deine Mutter“ er schüttelt den Kopf „warum sprichst du so gut Deutsch, “ frage ich weiter.
„Also das ist eine ganz interessante Geschichte. Gehen wir doch zu mir, bei einem Glas Wein läßt sich das besser erzählen.“ Er zeigt auf seinen Eingang, zögert dann aber kurz.
„Bei mir wird gerade sauber gemacht - wenn es euch nicht stört“ und läuft los in Richtung Haustüre.
Das Haus ist wie die anderen Gebäude des Weingutes ochsenblutrot gestrichen und so verputzt, als ob man den Eindruck hat es wäre aus Lehm gebaut. Innen ist es auf die gleiche Art verputzt aber in einem dunkleren Ocker gestrichen. Rechts ist die Küche, die gerade von eine hübschen Kolumbianerin sauber gemacht wird. Links steht auf einer Empore ein großer aufgeräumter Schreibtisch. Die vordere Haushälfte ist komplett verglast und einige Stufen tiefer und bis unters Dach offen. Oben ragt in der Mitte des Raumes, als Verlängerung eines Flures, eine Terrasse in den Luftraum. Links und rechts gibt es ein Zimmer. Der verglaste Wohnraum ist rechts mit einem langen massiven Holzesstisch und zwei einfachen Holzbänken ausgefüllt und auf der Seite ein offener Kamin. An der linken Ecke stehen lange Holzbänke, mit flachen bunten Kissen darauf, an den Fensterfronten und davor ein großer quadratischer Tisch voller Prospekte, Zeitungsartikel, Papiere mit Skizzen und Notizen. Buntstifte, ein Spitzer, die Späne und bunter Farbstaub ist auf dem Tisch verstreut. Dazwischen gibt es auch noch ein paar Nüsse und eine halb volle Schale mit Haferflocken. Wir setzen uns auf die Bank und Señor Marcos Quijano bittet seine Haushälterin uns eine Flasche Pinot Noir zu bringen. Als Señor Marcos sieht, dass Edda interessiert den Tisch betrachtet, sagt er
„Das ist der Arbeitsplatz eines Studenten der gerade bei mir arbeitet. Er ist heute in Bogota und hat wohl vergessen ein wenig aufzuräumen.“ 
„Och, ich finde es interessant“ sagt Edda, obwohl ich ihr ansehe, dass sie am liebsten damit beginnen würde Ordnung zu machen. 
Unterhalb von seinem Haus stehen entlang des Swimmingpools Masten mit den Flaggen von Deutschland, der Schweiz, Italien, Frankreich und Kolumbien. An der Stirnseite eine Chinesische Fahne. Edda fragt Señor Marcos
„Was hat die Chinesische Fahne zu bedeuten“
„Das ist auch eine ganz interessante Geschichte“
Die Haushälterin kommt mit dem Wein und und hauchdünnen Gläsern. Sie schenkt zuerst dem Dr. einen Schluck zum probieren ein. Er nimmt einen tiefen Zug mit der Nase und einen kleinen Schluck. Sein zufriedenes Gesicht reicht seiner Haushälterin, dass sie zuerst uns und dann dem Dr. einschenkt. Wir lassen die Gläser erklingen und für uns ist es, soweit ich mich erinnern kann, die erste Weinprobe die morgens um 9 Uhr beginnt. Am liebsten hätte ich meine Nase gar nicht mehr aus dem Glas genommen. Unglaublich sinnlich, ich rieche Beeren, kann mich aber nicht entscheiden ob es eher dunkle oder rote sind, er riecht auch ein wenig nach Blumen und ein Hauch rauchig. Die Farben hellrot bis ins violett gehend. Ich nehme einen kräftigen Schluck, lasse ihn im Mund kreisen und entscheide mich sofort, in Zukunft wieder öfter einen Burgund zu trinken. Auch wenn mir ein Freund, Apotheker und Weinkenner einmal sagte „Weißt du, einen Bordeaux kann jeder trinken, aber bei einem Burgund mußt Du gesund sein.“ Also so gesund fühle ich mich allemal. Als ich Señor Marcos meine Empfindungen zu dem Wein mitteile, grinst er und sagt,
„Ja, aber der braucht auch viel Pflege. Draußen und im Keller. Und sag deinem Apotheker, mich hält der Wein gesund“
„Ja, das sieht man dir an. Hast du einen guten Kellermeister?“
Er lacht verschmitzt. „Meine letzte Frau ist mein Kellermeister. Sie hat alles von mir gelernt:“
Anerkennend proste ich ihm zu und nehme nochmal einen großen Schluck. Edda, der der Wein genau so schmeckt, möchte dann aber doch wissen, was es mit der Chinesischen Fahne auf sich hat.
„Das ist eine interessante Geschichte“ beginnt Señor Marcos zu erzählen.
„Als junger Kerl, als ich beim Max-Planck-Institut meinen Doktor gemacht habe, hatte ich eine chinesische Kollegin. Sie war die erste Chinesin, die in Deutschland studiert hat. Ich war unheimlich von ihr beeindruckt, weil sie so exakt gearbeitet hat, immer alles wußte und unglaublich fleißig war. Nicht so faul wie wir.“ Wir nehmen unsere Gläser, es klingelt drei mal und jeder nimmt einen kräftigen Schluck.
„Die Chinesen haben ja das Ziel, überall die Besten zu werden.“ fährt er fort.
„Ich glaube, die schaffen es auch.“ Er macht eine eine kurze Pause, als ob er seine Aussage noch einmal überdenken müsse.  Scheint aber mit seiner Aussage zufrieden zu sein. Mir fällt dabei ein Gespräch ein, dass ich kürzlich mit einer Kubanerin geführt habe. Sie wunderte sich, dass die westliche Presse über den Obama Besuch und das Stones Konzert berichten, aber niemand darüber, dass die Chinesen seit Jahren Milliarden investieren und Kuba still und heimlich zu einer Freihandelszone ausbauen. Die Amerikaner dürfen maximal noch in Urlaub zu uns kommen.
Auf unserer Afrikareise haben wir ähnliches über die Chinesen gehört und auch gesehen.
„Nun, vor zwei Wochen habe ich von der Chinesischen Botschaft einen Brief bekommen,“ fährt Señor Marcos fort.  „Sie haben meinen Wein und meine Kenntnisse über den Weinanbau in so großer Höhe, gelobt. Ihr wisst schon, dass ihr hier auf dem höchsten Weinanbaugebiet der Welt seit. Wir sind hier auf 2600m“.
„Ja, das haben wir auf unserem Höhenmesser gesehen. Aber dass mit dem höchsten Weinberg wußten wir nicht. Wir haben nur die wunderbare Aussicht ringsum genossen.“
„Ja, es ist schön hier. Ja, und die Chinesen haben mich in dem Brief um ein Gespräch gebeten. Ich fühlet mich sehr geehrt, weil ich ja noch so eine gute Erinnerung an die fleißige Kollegin habe. Ich habe gleich auf der Botschaft angerufen und dann ist letzte Woche der Botschafter mit einer jungen Dolmetscherin gekommen. Jetzt kennst du den Grund für die Chinesische Flagge“ sagt er lachend zu Edda und nimmt sein Glas. Wir auch und wieder klingelt es dreimal. Prost. Aber er ist mit seiner Geschichte noch nicht am Ende.
„Die Unterhaltung war ein bisschen öde, obwohl die Dolmetscherin recht hübsch war. Aber ich mußte alles ihr und sie hat es dann dem Botschafter erzählt und umgekehrt. Das war anstrengend und langweilig. In einer Pause, als ich den Wein nachschenken lies, hat er ziemlich gut einen deutschen Weinspruch, der in der Vinothek an der Wand steht, laut vor gelesen. Ich war ganz überrascht und habe ihn gefragt ob er deutsch spricht. Ja sagte er, als ob das selbstverständlich ist. Er hat in der DDR studiert und hat nach dem Mauerfall, worüber er voller Bewunderung gesprochen hat, noch einige Jahre in Deutschland gearbeitet und Promoviert. Jetzt konnten wir uns richtig unterhalten. Er wusste sehr viel und hat sich sehr für unsere Arbeit interessiert. Wenn unsere Politiker da sind, saufen sie nur meinen Wein und haben von nichts eine Ahnung.“
Bei dem Stichwort Wein fällt ihm auf, das unsere Gläser leer sind.
„Wollt ihr noch einen anderen probieren“
„Ich würde lieber beim gleichen bleiben“ kommt es wie aus einem Mund. Edda hat wohl den gleichen Gefallen an dem Tropfen gefunden wie ich. Señor Marcos ordert bei seiner Haushälterin eine neue Flasche. Die Einschenkprozedur läuft ab wie bei der ersten Flasche. Nicht, dass der Verdacht aufkommt, wir würden schon morgens um neun saufen. Die Probierflaschen sind nur halbliter Flaschen.
„Du wolltest uns doch noch erzählen, woher deine Beziehung zu Deutschland kommt - wie bist Du den als Chemiker dazu gekommen Wein anzubauen“ stelle ich ihm zwei Fragen auf einmal.
„Das ist auch eine ganz interessante Geschichte. Als junger Kerl hat mich mein Vater einmal zu Freunden mit genommen. Dort gab es französischen Rotwein zu trinken. Ich habe auch ein Glas bekommen. Im Garten hat mir mein Vater eine Weinrebe gezeigt und gesagt, den Wein, den du gerade trinkst wird aus der Frucht einer solchen Pflanze gemacht. Mir ging nie mehr aus dem Kopf, warum wir französischen Wein trinken müssen, wenn bei uns auch Trauben wachsen. Als ich mit dem Abitur fertig war, wollte mich mein Vater nach Deutschland zum Studieren schicken. Ich wollte natürlich nach Paris, zum einen, weil ich in der Schule französisch gelernt habe und weil Paris eben Paris ist. Übrigens landet meine Tochter morgen in Frankfurt“ schiebt er zwischen seine Erzählung.
Macht sie in Deutschland Urlaub“ will Edda wissen.
„Nein. Ich bin zwar schon ein alter Kerl, aber ich habe noch eine 17 jährige Tochter. Sie geht nach Münster für drei Monate auf die Sprachenschule um Deutsch zu lernen. Ich wollte sie nach Lindau schicken aber da hätte sie schon 18 sein müssen. Anschließend geht sie 2 Jahre in ein Kloster Internat in Süddeutschland und macht das deutsche Abitur.“ Er wundert sich über den Preis des Internates. 1100€ im Monat findet er richtig günstig.
„Hast du dann in Paris studiert?“
Nein, nein. Mein Vater war sehr katholisch. Er sagte gut, dann geh in die Schweiz nach Genf. Da kannst du so gut studieren wie in Deutschland und dort sprechen sie französisch. Und ich dachte, wenn mein Vater mich dahin schickt, dann sagen sich da bestimmt Fuchs und Hase gute Nacht. Das war aber meine beste Zeit. Ich bin 10 Jahre dort geblieben und wollte nie mehr nach Kolumbien zurück.“
Edda fällt das Schweizer Autokennzeichen mit VD über der Haustür auf und will wissen woher das ist.
„Das ist auch eine ganz interessante Geschichte“ sagt Señor Marcos und beginnt auch gleich mit dem erzählen an, allerdings nicht bevor es drei mal geklirrt hatte.
„Das war das Kennzeichen meines letzten Autos in der Schweiz. Das habe ich nach Kolumbien mit genommen“
„Kann man ein Auto einfach nach Kolumbien einführen“ frage ich, weil solche Themen für einen Overlander immer interessant sind.
„Nein, so einfach geht das nicht. Da muß man ein schlauer Kerl sein und sehr gute Anwälte kennen. Normalerweise muss man es nach einer gewissen Zeit wieder ausführen, das weißt du ja. Aber wenn du beim Staat Schulden hast und die nicht bezahlst, dann nehmen sie dir dein Auto weg. Und ein gefangenes Auto kann man ja nicht mehr ausführen. Verstehst du?“
„Ja ich verstehe“
„Nach einer gewissen Zeit verhandelt man dann mit dem zuständigen Beamten, bezahlt seine Schulden, legt ein wenig drauf… man bekommt den richtigen Stempel und hat sein Auto ganz offiziell eingeführt.“ Diese Geschichte scheint ihn noch heute sehr zu amüsieren.
„Und wie bist du dann nach Deutschland gekommen.“ Jetzt will ich schon die ganze Geschichte wissen.
„Ich bin 10 Jahre in Genf geblieben und dann war ich 10 Jahre in Deutschland. Siehst du das Bild da von Mainz.“ und zeigt auf eine Fotografie über dem Esstisch, die Mainz bei Nacht zeigt.
„Das ist meine Stadt. Ich habe vom Max-Planck-Institut ein…. wie sagt man auf deutsch… Stipendium bekommen.„
„und wie bist du dann zum Wein gekommen“
Als Antwort macht er eine Trinkbewegung.
„In Genf und am Rhein habe ich mich immer auch mit Wein beschäftigt“ und macht wieder eine Trinkbewegung.
„Mich hat auch immer die Geschichte von meinem Vater beschäftigt und es wollte mir nicht einleuchten, warum Kolumbianer nur ausländischen Wein trinken sollen. So habe ich in Europa Weinstöcke gekauft und in Kolumbien den ersten Weingarten angelegt. Das war die Kurzfassung“
Wir hätten noch viele Fragen gehabt und er viel zu erzählen, aber draußen wartete schon ein Bus voller Studenten wo er gleich einen Vortrag halten musste.
Schade, das die Zeit so schnell verging. Ihm ging es wohl ähnlich, denn wir hatte noch beinahe nichts über den Wein gesprochen. Er lud uns ganz herzlich ein, wieder zu kommen, damit wir unser Gespräch fortsetzen können.
„Sehr gerne kommen wir wieder, nicht gleich morgen, aber wir kommen wieder. Danke für deine Gastfreundschaft und für deine Interessanten Geschichten. Du bist halt ein ganzer Kerl.“
Er lacht.
„Danke für euren Besuch. Wir sehen uns wieder.“
Mike unser Freund aus Medellin meinte es gäbe keinen kolumbianischen Wein. Ich wollte das nicht glauben und wir haben uns auf die Suche gemacht.
Heureka, in einem kleinen Weingeschäft in Villa de Leyva haben wir den ersten gefunden. Am nächsten Tag haben wir dann das dazugehörige Weingut gesucht und gefunden. Der Wein hat uns aber nicht so überzeugt. Der Rote hatte für meinen Geschmack zu viel Holz und der Weiße, den wir verkostet haben erinnert uns sehr an den Chilenischen, den wir schon seit der ganzen Reise trinken. Offensichtlich hat der Kellermeister sein Handwerk in Chile gelernt.
Dann habe ich im iOverlander ein Sternchen gefunden.  Ah, noch ein Weingut. Das Weingut Marqués de Puntalarga auf dem Berg, war nicht leicht zu finden. Erst im zweiten Anlauf haben wir die Auffahrt gefunden. Das hätten wir nicht erwartet. Ganz oben ein wunderschöner ebener mit Ziegelsteinen gepflasterter Platz, einige ochsenblutrote Gebäude mit Strohdächer, eine große Terrasse und ringsum eine grandiose Aussicht. Unser Höhenmesser zeigt 2602m. Ob wir hier wohl übernachten dürfen. Keine Menschenseele weit und breit die wir hätten fragen können. Im Moment störte und das nicht, wir genossen die Aussicht rings um den Berg. Nach einer viertel Stunde kam eine junge Frau aus einem der Gebäude und begrüßte uns herzlich. Nachdem wir die üblichen Freundlichkeiten ausgetauscht hatten, fragte Edda, ob wir hier übernachten dürfen. Da müsse sie erst telefonieren und verschwand in einem anderen Gebäude. Nach einigen Minuten kam sie wieder zurück, sagte selbstverständlich dürften wir hier übernachten und zeigt uns einen Platz neben der Vinotheke. Dann lädt sie uns dazu ein einige Weine zu probieren. Schlußendlich entscheiden wir uns zum Sonnenuntergang auf der Terrasse eine Flasche von dem Riesling-Silvaner zu trinken. Im Glas leuchtet er in der Abendsonne goldgelb. Duftet blumig, mit einer leichten Muskatnote. Im Gaumen ist er fruchtig und saftig. Edda sagt sofort, der erinnert mich an den Bodensee. wir haben schon lange keinen so guten Wein mehr getrunken. Trotzdem trinken wir keine zweite Flasche mehr, was allerdings nicht am Wein, sondern eher am Preis lag. 100.000 Peso (30€) die Flasche ist auch ein stolzer Preis. Zu den Spaghetti frutti di mare, die ich später gekocht habe, haben wir wieder einen Chilenen getrunken, was ich heute beinahe bereue.

Hier noch ein Panoramafoto vom Marqués de Puntalarga

Wer sich noch mehr für das Weingut, dessen überaus interessante Geschichte und Dr. Marcos Quijano interessiert, hier die Homepage. Interessant finde ich, wieviel Wissenschaftler man braucht um einen guten Wein zu machen.





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